Die unerwartete Magie des World Blues – Eine seelische Heimkehr
Es gibt Momente, in denen man ein Album einschaltet und eine tiefe, fast seelische Resonanz spürt. Manchmal schaltet man ein Album ein und weiß direkt: Das ist es. Genau dieses unerwartete, überwältigende Gefühl einer musikalischen Heimkehr erlebte ich mit Atua Blues. Ich war überzeugt, dass mich im Blues-Genre nichts mehr so überraschen könnte – aber ich lag falsch. Diese Musik hat meine Erwartungen nicht nur erfüllt, sondern meine Seele im Takt tanzen lassen.
Wir haben zwar erst vor Kurzem begonnen, mit V2 Promotion zusammenzuarbeiten, doch nach dieser Entdeckung freue ich mich schon jetzt auf alles, was aus dieser Ecke kommen mag. Zuerst dachte ich: Gut, ein Blues-Album. Seit dem letzten Album von Keb’ Mo’ hatte ich keinen anderen Vertreter des Genres mehr so intensiv zu Hause gehört. Also drückte ich auf Play, bereit, zwei mir bis dato unbekannten Musikern eine Chance zu geben. Was ich stattdessen fand, war eine seltene, heilige Magie.
Zwei Seelen, Zwei Wurzeln: Grant Haua und David Noël
Wer sind diese beiden Zauberer? Da ist Grant Haua – das Phänomen des Māori-Blues aus Neuseeland. Seine Musik ist nicht nur Blues, sondern trägt die tiefe Erdung und Spiritualität seiner Kultur in sich. Sein Partner ist David Noël, alias Feelgood Dave, der charismatische Leadsänger der französischen SuperSoul Brothers aus Okzitanien.
Letztendlich steht Atua Blues als eine seltene, fast magische Verkörperung da, wo die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Blues zusammentreffen. Die Musik ist eine tief verwurzelte Umarmung zwischen den „Two Roots“ der māorischen Tiefe und der okzitanischen Seele. Dieses unkonventionelle Duo verwandelt Noten in zutiefst menschliche Emotionen – und präsentiert sie auf eine Weise, die sich sowohl vertraut wie ein alter Freund, als auch erstaunlich frisch anfühlt. Man hat das Gefühl, man hört sie bei jedem Mal zum allerersten Mal. Diese klangliche Verschmelzung ist nichts Geringeres als erstklassig.
Der Moment der Wandlung: Amazing Grace
Der Moment, der alles veränderte, war der erste Track: „Amazing Grace“. Ich war innerlich schon auf Abwehrhaltung. Amazing Grace. Wie viele Versionen muss ein Mensch in seinem Leben hören?
Doch dann fängt das Stück an. Leichte, sanfte Hammond-Klänge legen einen Schleier der Andacht über den Raum. Die Musik atmet. Und dann, ganz behutsam, setzt Grant Hauas Stimme ein. Sie ist verraucht, rau, tief – eine Stimme, die mehr die Emotionen als die Noten zu treffen scheint. Es ist keine makellose Pop-Performance, sondern ein Geständnis der Seele. Diese soulige Interpretation des uralten Spirituals, durchdrungen von der Ernsthaftigkeit des Māori-Blues, hat mich sofort in ihren Bann gezogen. Es war wie ein unerwarteter, tröstlicher Händedruck.
Also, ich tat, was die Seele befahl: zurücklehnen und genießen.
Lieber Leser, wenn Du mir einen Gefallen tun willst: Auch wenn Blues nicht Dein übliches Genre ist – ignoriere den Titel, ignoriere das Genre. Höre Dir dieses Stück einfach an. Es ist reine, bewegende Kunst:
Die Essenz der Songs: Ein Gespräch mit der Seele
Der gesamte Charme des Albums liegt in seiner Ehrlichkeit und Leichtigkeit. Die sparsame Instrumentierung – Hauas meisterhafte Gitarre im Vordergrund, untermalt von Bass und Drums, mit gelegentlichen Keyboard-Tupfern – gibt den Stimmen den Raum, den sie verdienen. Hauas rau-erdige Stimme und David Noëls weich-souliger Gesang sind wie zwei Seiten derselben Medaille.
„River Blues“: Fühlt sich an wie das Sitzen am Flussufer. Ein leicht Country-angehauchter Groove, der von der Sehnsucht nach Bewegung und dem Rhythmus der Natur erzählt. Es ist erdig, fließend und einfach fesselnd. „I Get The Blues“: Ein klassischer Slow Blues, der ohne Schnörkel die Melancholie des Genres auf den Punkt bringt. Die Stimmen verweben sich hier zu einem Gespräch über die kleinen Sorgen und Freuden des Lebens.„Hard Lovin‘ Woman“: Hier wird es rockiger, mit einer dringlicheren Energie. Man spürt die Kraft des Blues Rock, ohne dass die Seele der Musik verloren geht. „My Sweet Lord“: Der zweite Cover-Track ist die größte kulturelle Umarmung der Platte. Es ist mehr als nur eine Hommage; es ist eine spirituelle Brücke. Dass sie den George Harrison-Klassiker mit Passagen auf Maori und Okzitanisch singen, ist ein Akt der tiefen Verbundenheit und macht das Album zu einem echten „World Blues“-Erlebnis.
„Two Roots“ ist keine perfekte, überproduzierte Platte; es ist ein spirituelles Dokument über die universelle Sprache des Blues. Es geht um die Verbindung zweier Künstler, die zeigen, dass Musik Grenzen, Herkunft und Sprache spielend leicht überwinden kann. Das Album strahlt einen unbändigen positiven Vibe aus und macht einfach Freude. Für jeden, der eine ehrliche, gefühlvolle und überraschend frische Musik-Erfahrung sucht, die die Tiefe des Blues mit der Seele des Gospel verbindet: Hier ist sie. Dieses Album ist ein wahrer Schatz.
Schlussakkord: Eine Blaupause für den Blues-Einstieg
Elf Lieder, die einen schlicht nicht mehr loslassen wollen – das ist die tief empfundene Wahrheit über Atua Blues und ihr Werk „Two Roots“. Was Grant Haua und David Noël hier erschaffen haben, ist ein Fest für die Seele, das weit über die traditionelle Hörerschaft des Genres hinausgeht.
Die Musik ist so leichtfüßig und verständlich, dass ich fast schon sagen würde: Die Jungs haben die Blaupause für ein Blues-Einstiegsalbum geliefert. Gefüllt mit Herz und Seele, dabei aber stets bodenständig und ohne unnötigen Firlefanz. Diese elf magischen Momente zeigen, wie modern, zugänglich und bewegend Blues im Jahr 2025 klingen kann. Ein Meisterwerk der Balance zwischen Tradition und entwaffnender Frische. Man muss sie einfach lieben!
