Startseite / Gesicht & Geschichte / DOTAN im Interview: Kreative Freiheit und die Ehrlichkeit der Einfachheit

DOTAN im Interview: Kreative Freiheit und die Ehrlichkeit der Einfachheit

DOTAN Interview Sony Music

Der niederländische Singer-Songwriter DOTAN spricht offen über den Wechsel zu einem Major-Label, seine neue Ehrlichkeit im Songwriting und die tiefen Emotionen auf seinem kommenden Album. DOTAN Interview Sony Music

Vom Independent-Künstler zum Major-Label

Ihr habt eure Musik lange Zeit unabhängig veröffentlicht. Wie stark hat dieser Übergang zu Sony Music eure kreative Freiheit beeinflusst?

DOTAN: Ich arbeitete viele Jahre unabhängig. Allein zu kreieren war alles, was ich kannte, und es prägte mich sehr. Der Gedanke, zu einem Major-Label zurückzukehren, war anfangs beängstigend. Ich befürchtete, die Freiheit zu verlieren, die meine eigene Stimme gefestigt hatte. Die Realität zeigt: Nichts Wichtiges hat sich verändert. Ich folge weiterhin meinen kreativen Instinkten. Ich schreibe noch immer auf dieselbe ruhige, chaotische, persönliche Weise. Sony wirkt eher wie ein Motor hinter meiner Vision. Sie helfen mir, weiter zu greifen, steuern aber nicht das Schiff. Die Vision, der Sound, die Emotion – all das kommt weiterhin von mir.

Veränderungen im Songwriting-Ansatz

Welche bedeutenden Veränderungen stellst du in deinem Ansatz zum Songwriting fest? Schreibst du heute anders als zu Beginn deiner Karriere?

DOTAN: Ich schreibe heute definitiv anders als früher. Am Anfang war ich als Person und Songwriter sehr schüchtern. Ich nutzte Metaphern und Produktionsebenen, hinter denen ich mich verstecken konnte. Die Songs sollten perfekt klingen, nicht vollkommen ehrlich sein. Mit der Zeit lernte ich, mir selbst mehr zu vertrauen. Ich erlaube mir, in unbequeme Bereiche vorzudringen. Ich lasse einen Song in seinem eigenen Tempo wachsen. Heute schreibe ich mit viel mehr Mut. Ich habe keine Angst mehr, Dinge so auszusprechen, wie sie sind. Die Songs sollen wahrhaftig klingen, nicht poliert.

Über Trauer, Wahrheit und Heilung

Wie entscheidest du, welche persönlichen Geschichten in deine Musik finden? Gibt es Themen, die dir besonders schwerfallen?

DOTAN: Ich entscheide das eigentlich nie bewusst. Die Geschichten, die in Songs gehören, bleiben so lange bei mir, bis ich über sie schreibe. Sie wiederholen sich in meinem Kopf. Sie tauchen auf, wenn ich am Klavier oder an der Gitarre sitze. Daran erkenne ich, dass es so weit ist. Trauer war ein schweres Thema. Jahrelang konnte ich mich ihr nicht nähern, ohne überwältigt zu werden. Erst jetzt, mit etwas mehr Abstand, kann ich über diese Erinnerungen schreiben. Ich schreibe nun mit Liebe statt mit Angst.

Dein Album 7 Layers war ein großer Erfolg. Welche musikalischen Entscheidungen von damals prägen deinen Sound heute noch?

DOTAN: 7 Layers lehrte mich die Kraft der Einfachheit. Eine Stimme, eine Gitarre und eine einzige Zeile, die alles sagt. Diese Einfachheit ist seitdem geblieben. Auch wenn die Produktion atmosphärischer wird – im Kern gibt es immer diese stille Ehrlichkeit. Etwas Zerbrechliches, aber auch Hoffnungsvolles. Diese Kombination ist bis heute das Herz meines Sounds.

Die Single Last Goodbyes ist eine Hommage an einen verstorbenen Freund. Wird das gesamte Album von ähnlich tief berührenden Themen geprägt sein?

DOTAN: Last Goodbyes ist eines der persönlichsten Lieder, die ich je geschrieben habe. Es trägt viel Schmerz, aber auch viel Liebe. Das Album beschäftigt sich mit diesen tiefen emotionalen Themen – Erinnerung, Verlust, Festhalten. Aber es ist kein schweres Album. Es gibt auch Licht darin. Momente der Heilung, der Wiederentdeckung, der Verbindung. Ich versuche immer, das Dunkle mit etwas Hoffnungsvollem auszubalancieren. Das Album soll menschlich wirken, nicht bedrückend.

Akustik, Atmosphäre und das zweite Debüt

Welche Instrumente oder Produktionstechniken sind für dich unverzichtbar, um die charakteristische melancholische Stimmung zu erzeugen?

DOTAN: Die Atmosphäre entsteht meist aus sehr kleinen Details: Akustische Gitarre. Klavier. Der Klang eines Raumes. Atemzüge, die man vergisst herauszuschneiden. Diese kleinen Unvollkommenheiten lassen einen Song lebendig wirken. Ich liebe Texturen, die man eher fühlt als hört – weiche Pads, rückwärts abgespielte Klänge. Sie schaffen einen Raum, in dem Melancholie und Hoffnung nebeneinander existieren können.

Du beschreibst das kommende fünfte Album als ein zweites Debüt. Was meinst du damit?

DOTAN: Es fühlt sich wie ein zweites Debüt an, weil ich mit derselben Neugier an die Arbeit ging wie am Anfang. Nur diesmal mit mehr Erfahrung und Ehrlichkeit. Ich habe viel Lärm und viele Erwartungen losgelassen. Ich bin zu dem zurückgekehrt, was ich am Musikmachen liebe. Klanglich wirkt es roh und direkt. Das Gefühl eines zweiten Debüts ist vor allem ein inneres – ein emotionaler Neustart.

Werden Folk-Wurzeln und der Fokus auf akustische Ehrlichkeit den zentralen Sound des gesamten fünften Albums prägen?

DOTAN: Dieses Album hat definitiv ein starkes akustisches Herz. Ich wollte, dass die Instrumente atmen. Die Vocals sollen nah und echt wirken. Es gibt Folk-Einflüsse, aber auch dunklere Momente. Es ist nicht an ein bestimmtes Genre gebunden. Der rote Faden ist Ehrlichkeit. Echte Instrumente. Echte Takes. Songs, die gelebt wirken statt perfektioniert. Das ist der Sound, der das Album trägt.

Weitere Interview bei Mikro und Manuskript

Markiert: