Duffer Brothers Stranger Things Interview – Wie unterscheidet sich der Beginn der fünften Staffel von den bisherigen Staffeln?
Ross Duffer: Diese Staffel ist insofern besonders, als dass sie direkt im Chaos beginnt. Unsere Held*innen haben am Ende der vierten Staffel letztlich verloren. Normalerweise zeigen wir ja zunächst ihren Alltag, die Schule, das Leben in Hawkins, bevor schließlich das Übernatürliche einbricht. Doch dieses Mal ist es anders. Die Staffel startet sofort mit einem Sprint.
Matt Duffer: Genau, und sie erleben keinen normalen Alltag mehr. In Hawkins ist nichts mehr normal. Die Stadt steht unter militärischer Quarantäne, die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt, und überall gibt es Überwachungskameras. Sie sind sehr aktiv, aber ihr Alltagsleben ist mittlerweile völlig anders.
Wie steht es um Hawkins zu Beginn der fünften Staffel?
Matt Duffer: Die offizielle Version der Regierung lautet, ein gewaltiges Erdbeben habe die Stadt erschüttert und dabei giftige Chemikalien freigesetzt. Deshalb müsse man die gesamte Bevölkerung unter Quarantäne stellen. Das ist die offizielle Geschichte. Wir wissen aber natürlich, dass es eine übernatürliche Komponente gibt. In Hawkins haben sich Portale zu einer anderen Dimension geöffnet. Das Militär weiß das offensichtlich und untersucht aktiv die andere Seite, während es die Bevölkerung streng überwacht.
Ross Duffer: Und natürlich suchen sie nach Elf, die ihrer Ansicht nach verschwunden ist.
Was wollen die Behörden von Elf?
Matt Duffer: Für sie ist Elf im Grunde eine militärische Waffe. Sie betrachten sie nicht als Menschen, sondern als strategisches Mittel. Dr. Kay, gespielt von Linda Hamilton, sieht in ihr ein Instrument, das man im Kampf gegen die Russen oder andere Feinde einsetzen kann.
Wie war es, Linda Hamilton in die Besetzung zu integrieren?
Ross Duffer: Linda ist eine Legende. Wir waren unglaublich begeistert. Bevor sie zugesagt hatte, wussten wir gar nicht so genau, wer Dr. Kay eigentlich sein sollte. Klar war nur, dass sie beim Militär sein und sich deutlich von Dr. Brenner unterscheiden sollte. Als Linda dann an Bord kam, haben wir die Figur nach ihr modelliert. Wir haben sie dabei weniger als klassische Wissenschaftlerin angelegt, sondern ihr eine gewisse militärische Härte verliehen. Sie kann kämpfen, mit Waffen umgehen und zögert nicht, sie einzusetzen. Man legt sich besser nicht mit ihr an.
Matt Duffer: Diese Seite der Figur wäre vermutlich gar nicht entstanden, hätte unsere Casting-Direktorin Carmen Cuba nicht Linda Hamilton vorgeschlagen. Wir wollten von Anfang an jemanden mit ikonischer Präsenz – jemanden, mit dem wir aufgewachsen sind. Linda gehört natürlich in diese Kategorie, genauso wie die früheren Gaststars Sean Astin oder Paul Reiser. Es war aufregend, mit einer Schauspielerin zu arbeiten, die wir seit unserer Kindheit bewundern. Wir wussten aber natürlich nicht, ob sie zusagen würde. Zum Glück stellte sich heraus, dass Linda ein Fan der Serie ist und alle vier Staffeln gesehen hatte. Das war schon ein surrealer Moment. Sie war sofort Feuer und Flamme.
Wie haben Sie die neuen Kinder in die Handlung eingeführt, vor allem Holly?
Matt Duffer: Wir wollten ein bisschen die Atmosphäre der ersten Staffel wieder einfangen, die ja stark von den Kindern lebte. Unser Ansatz war, Hollys Figur, also Mikes kleine Schwester, stärker in den Mittelpunkt zu rücken. Und sie brauchte dann natürlich auch einen Freundeskreis. Derek war ursprünglich nur als typischer Mobber angelegt. Als wir dann aber Jake Connelly entdeckten, bemerkten wir, dass es hier noch mehr Potenzial gab. Er war so charmant und witzig, dass wir seine Rolle im Laufe der Staffel immer weiter ausgebaut haben. Ganz ähnlich wie bei Steve Harrington entwickelte sich aus dem Stereotyp des fiesen Jungen plötzlich eine vielschichtigere, spannende Figur – und das lag ganz an Jake.
Was wollten Sie über die andere Seite in dieser Staffel enthüllen?
Ross Duffer: In dieser letzten Staffel wollten wir endlich die andere Seite wirklich erforschen und erklären. Ich erinnere mich, dass Netflix uns irgendwann während der ersten Staffel nach einem Mythologiedokument fragte. Es passierte so viel, dass sie einfach wissen wollten: „Könnt ihr uns erklären, was hier eigentlich los ist?“ Wir haben damals alles dokumentiert, aber uns war klar, dass wir nicht gleich in der ersten Staffel alles enthüllen wollten.
Matt Duffer: Wir wollten das Geheimnis wahren, aber wir verfassten dieses Dokument, in dem wir die andere Seite erklärten. Und ich glaube, dass wir mit jeder Staffel Stück für Stück immer mehr davon offenbart haben. In der letzten Staffel erfahren nun auch unsere Figuren endlich, was es mit diesem Ort auf sich hat.
Wie haben Sie sich für diese Serie auf fünf Staffeln festgelegt?
Ross Duffer: Als wir die erste Staffel schrieben, waren wir einfach glücklich, überhaupt eine Staffel machen zu dürfen. Über eine größere Erzählstruktur haben wir da noch gar nicht nachgedacht. Ich weiß noch, wie Netflix uns fragte: „Und was passiert in der zweiten Staffel?“ Beim ersten Pitch sagten wir damals nur: „Will ist jetzt zwar wieder zu Hause, aber er war tagelang in einer anderen Dimension. Irgendetwas stimmt nun nicht mit ihm.“ Uns war klar, dass hinter dem Bösen eine bewusste, denkende Macht stehen musste. Und so entstand Vecna. Ursprünglich planten wir vier Staffeln, doch während der Arbeit an der dritten Staffel merkten wir, dass die Geschichte umfangreicher war, als wir dachten. So wurde daraus ein Handlungsbogen über fünf Staffeln.
Wie verändert sich Vecna in dieser Staffel?
Matt Duffer: Der Film Hellraiser – Das Tor zur Hölle und vor allem die Figur Pinhead waren von Anfang an ein großer Einfluss für Vecna. Es gibt im ersten Teil von Hellraiser Szenen, die wirklich verstörend sind, in denen ein Körper auf übernatürliche Weise wieder zusammengesetzt wird. Am Ende der vierten Staffel wurde Vecnas Körper mithilfe von Nancys Schrotflinte komplett zerstört. In den Jahren zwischen der vierten und fünften Staffel hat Vecna sich dann aber wieder Stück für Stück aufgebaut und dabei einen Plan geschmiedet, um Hawkins endgültig zu übernehmen.
Ross Duffer: Sein Körper ist gezeichnet und vernarbt. Zugleich wollten wir ihn aber auch mächtiger und furchteinflößender wirken lassen. Wir glauben, dass uns ein Design gelungen ist, das genau dieser Balance gerecht wird.
Wie fühlt es sich an, sich von der Serie und dem Cast zu verabschieden?
Matt Duffer: Es ist schwer, das in Worte zu fassen. Ich glaube, alle müssen das erst einmal verarbeiten. Es ist ein seltsames, widersprüchliches Gefühl. Wir waren uns alle einig, dass jetzt der richtige Moment gekommen ist, die Serie zu beenden. Aber in dem Augenblick, in dem man wirklich Abschied nehmen muss – von den Figuren und den Schauspieler*innen in diesen letzten gemeinsamen Szenen – war das einfach unglaublich schwer. Für uns alle.
Ross Duffer: Unser Art Director hat es tatsächlich geschafft, den Drehplan so zu gestalten, dass für alle Schauspieler*innen die letzte Szene auch ihr letzter Drehtag war. Das hat die Stimmung intensiviert. Alle waren emotional, und diese echte, spürbare Emotion steckt nun auch in ihren finalen Momenten. Hoffentlich kann das Publikum das spüren. Ich jedenfalls konnte es, als ich ihnen zusah.
Wie war es, zuzusehen, wie die Kinder über die Jahre erwachsen wurden?
Ross Duffer: Es war surreal, diesen Kindern beim Erwachsenwerden zuzusehen. Wenn man zurückblickt und sieht, wie klein sie in der ersten Staffel waren, wird einem erst klar, wie viel Zeit vergangen ist. Sie waren noch so jung, als die Serie herauskam. Für sie war das Ganze ein riesiger Teil ihres Lebens. Sie sind quasi mit dieser Serie aufgewachsen. Zu beobachten, wie sie zu diesen großartigen jungen Erwachsenen geworden sind, war ein einmaliges Erlebnis, für das wir unendlich dankbar sind.
Matt Duffer: Man hört so viele Horrorgeschichten über junge Schauspieler*innen, die durch frühen Ruhm völlig aus der Bahn geraten. Gott sei Dank ist das mit unserem Cast nicht passiert. Sicher, ein bisschen Glück war dabei. Es war einfach eine tolle Gruppe mit tollen Eltern. Ich glaube, dass es hilfreich war, dass niemand alles allein durchgemacht hat. Sie standen alle vor den gleichen Herausforderungen und haben sich gegenseitig geerdet und gestützt. Das ist zumindest meine Theorie. Was auch immer der Grund dafür war, sind wir sehr stolz darauf, dass sie so wunderbare Leute geblieben sind. Und irgendwas in dieser Staffel hat ihren Zusammenhalt noch weiter verstärkt. Ihre Bindung ist jetzt so stark.
Was bedeuten Ihnen die Fans?
Matt Duffer: Ohne die Fans gäbe es diese Serie gar nicht. Ihre Liebe und Unterstützung haben es uns ermöglicht, die Geschichte weiterzuerzählen und sie so groß werden zu lassen, genauso wie wir es uns erträumt hatten. Dafür empfinden wir große Dankbarkeit. Es bedeutet uns und auch der Besetzung, die jedes Jahr so viel Herzblut in die Serie einfließen lassen hat, sehr viel, dass die Serie so viele Menschen berührt. Besonders überraschend war, dass sie so gut bei einem jüngeren Publikum ankommt. Eigentlich war sie ja für Filmnerds in den Dreißigern oder Vierziger gedacht – für Leute wie uns. Aber dass sie zusätzlich eine junge Generation erreicht, ist schon etwas ganz Besonderes.
Ross Duffer: Und dass so viele Fans seit der ersten Staffel dabeigeblieben sind, ist einfach unglaublich. Wie Matt schon sagte: Das hat es uns ermöglicht, die Geschichte genau so zu Ende zu führen, wie wir es immer wollten. Ich glaube, dass viele Serien das nicht können. Wir sind sehr dankbar, dass wir unsere Geschichte von Anfang bis Ende so erzählen durften, wie wir sie uns vorgestellt hatten.
Was bedeutet Ihnen die Serie persönlich? Gibt es Parallelen zu Ihrer eigenen Kindheit?
Matt Duffer: Ein großer Teil der Serie ist eine Liebeserklärung an unsere eigene Kindheit. Als wir sie schrieben, waren wir 30, also erwachsen, ja, aber wir fühlten uns noch nicht wie richtige Erwachsene. Wir hatten vorher viele Drehbücher mit erwachsenen Figuren geschrieben, aber das fühlte sich nie echt an. Dann kam uns diese Idee. Wir schrieben diese erste Kellerszene mit den Kids, und plötzlich kannte unsere Kreativität keine Grenzen mehr. Wir fühlten uns unserer Kindheit noch so nah. Das hat die Serie geprägt und meiner Meinung nach auch ihre Authentizität ausgemacht. Sie war unser Weg, das Gefühl des Aufwachsens in North Carolina festzuhalten. Und jetzt, da ich selbst eine Familie und Kinder habe, fühle ich mich wirklich erwachsen. Es ist der richtige Moment, weiterzuziehen. Wir haben gesagt, was wir über unsere Jugend und das Erwachsenwerden sagen wollten.
Ross Duffer: Für mich geht es im Kern um die Magie der Kindheit. Dieses Gefühl wollten wir einfangen. Und ein großer Teil davon hängt mit unserer Liebe zu Filmen zusammen. Kino war einfach ein riesiger Bestandteil unserer Jugend. Es ist also eine Mischung aus echten Erlebnissen und dem, was wir auf der Leinwand erlebt haben: Freundschaft, Abenteuer, Alltägliches und Außergewöhnliches. Kaum etwas davon ist autobiografisch, aber alles fängt dieses schwer zu beschreibende Gefühl ein, wie es sich wirklich anfühlt, ein Kind zu sein.
Worauf können sich die Zuschauer*innen in der letzten Staffel am meisten freuen?
Ross Duffer: Diese Staffel ist in jeder Hinsicht unsere mit Abstand größte – was Action, visuelle Effekte und die Geschichte betrifft. Aber am Ende geht es um etwas anderes: Das Publikum will diese Figuren ein letztes Mal zusammen sehen. Und genau das wird die Zuschauer*innen am meisten begeistern.










