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Nina Chuba zwischen Vielseitigkeit und Selbstfindung: „Ich lieb mich, ich lieb mich nicht“ – Album Kritik

Es ist noch gar nicht so lange her, dass Nina Chuba mit „Wildberry Lillet“ einen der größten deutschen Pop-Hits der letzten Jahre gelandet hat. Ein Song, der Luxusfantasien mit jugendlicher Verspieltheit verband, eine Art kapitalistisches Wunschkonzert, das dank seiner charmanten Naivität sofort zum Ohrwurm wurde. Mit gerade einmal 26 Jahren legt die Künstlerin nun ihr zweites Album vor – „Ich lieb mich, ich lieb mich nicht“ –, und schon nach wenigen Takten wird deutlich: Chuba hat keine Lust, auf ewig als „süßes Popsternchen“ etikettiert zu werden.

Die Stärken: Vielseitigkeit und Emotionalität

Was sofort auffällt, ist die enorme stilistische Bandbreite, die dieses Album abdeckt. 19 Songs, die musikalisch kaum Grenzen kennen: von R’n’B über New Wave, Hip-Hop und Rock-Balladen bis hin zu einem überraschend leichten Bossa Nova. Diese Vielfalt ist keine bloße Spielerei, sondern wirkt wie ein bewusstes Statement. Chuba zeigt, dass sie sich nicht auf ein Genre reduzieren lässt, sondern die Freiheit sucht, mit Klangfarben und Stimmungen zu experimentieren.

Besonders hervorzuheben sind Songs wie „3 Uhr nachts“, die eine urbane Melancholie transportieren, die man eher von internationalen Künstlerinnen wie Taylor Swift erwarten würde. Der Track klingt wie ein intimer Blick in eine Großstadtnacht, irgendwo zwischen Einsamkeit und Sehnsucht. Auch „Kilimanjaro“ sticht heraus – ein Stück voller Fernweh und Weite. Ganz anders wiederum „Vergessen“, in dem Chuba eine verkaterte Diva gibt, jedoch mit einer Leichtigkeit, die das Stück von jeder Schwere befreit. Hier beweist sie nicht nur Vielseitigkeit, sondern auch ein feines Gespür für atmosphärische Rollenwechsel.

Ihre größte Stärke zeigt Nina Chuba allerdings dort, wo sie ihre Verletzlichkeit offenlegt. „Unsicher“ ist ein Paradebeispiel dafür: Ein Song, der ihr eigenes Imposter-Syndrom aufgreift – also die Erfahrung, trotz offensichtlichen Erfolgs von Selbstzweifeln geplagt zu sein. Zeilen wie „Ich schau so lang in den Spiegel, bis mir irgendwas nicht passt“ sind nicht nur eingängig, sondern auch von einer entwaffnenden Ehrlichkeit. Hier wird aus der Pop-Performerin plötzlich ein Mensch, dem man die Unsicherheit abnimmt, weil sie echt klingt. Ähnlich gelingt es ihr in „Ende“, einem Stück mit wuchtigen E-Gitarren, das fast wie ein Walzer klingt und sich tief in die Tradition deutschsprachiger Rockpoesie einreiht.

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Der Wille zur Neuerfindung

Trotz dieser emotionalen Offenheit will Nina Chuba auf ihrem zweiten Album auch zeigen, dass sie härtere Töne anschlagen kann. Tracks wie „Malediven“ oder „Rage Girl“ lassen eine fast aggressive Energie erkennen. Hier inszeniert sie sich als Femme fatale, angriffslustig und selbstbewusst, bereit, Grenzen zu überschreiten. Diese Momente markieren ihren Versuch, sich vom Image des netten Pop-Mädchens zu lösen und eine stärkere, provokativere Seite zu zeigen.

Auch der Opener „Nina“ ist in diesem Sinne ein Statement. Ein Reggaeton-Beat, Chubas Rap-Vocals und ein Kinderchor, der ihren Namen ruft – das klingt nach einer klaren Ansage: Hier ist eine Künstlerin, die sich behaupten will. Meiner Meinung nach überzeugt Nina allerdings nur teilweise – und das hat Gründe. Hier kommen die Schwächen.

Die Schwächen: Wenn die Pose nicht trägt

Doch gerade an dieser Stelle beginnen die Schwächen des Albums. Denn so nachvollziehbar der Wunsch nach einer neuen künstlerischen Identität ist, nicht jede Pose wirkt glaubhaft. Bei „Nina“ zum Beispiel fragt man sich, ob die dicke Hose, die sie sich überstreift, wirklich passt. Der Song ist zwar einprägsam, wirkt aber auch etwas bemüht – als wolle Chuba zu sehr auf Selbstbewusstsein setzen. Für mich bisschen zu künstlich.

Ähnlich verhält es sich mit „Malediven“ und „Rage Girl“. Die Energie stimmt, doch die Rolle der Femme fatale sitzt nicht so selbstverständlich wie die einer jungen Frau, die ihre Zweifel offen ausspricht. Da, wo sie Stärke markieren will, wirkt es manchmal konstruiert. Dort, wo sie Schwäche zulässt, entfaltet sich dagegen ihre ganze künstlerische Kraft.

Ein anderes Problem liegt in der Quantität. 19 Songs sind ambitioniert, aber nicht jeder Treffer sitzt. Während manche Stücke atmosphärische Dichte entfalten, bleiben andere blass oder sogar unfreiwillig komisch. Paradebeispiel dafür ist „LuluLemonSqueezy“, ein Abzählreim, der trotz Trap-Rhythmus eher nach Pausenhof klingt als nach urbaner Coolness. In solchen Momenten wirkt das Album unausgegoren und verliert an Stringenz.

Fazit: Ein mutiger, aber nicht makelloser Schritt

Trotz dieser Schwächen lässt sich nicht bestreiten, dass Nina Chuba mit „Ich lieb mich, ich lieb mich nicht“ ein spannendes und mutiges Album vorgelegt hat. Es ist ein Werk voller Kontraste – zwischen Verletzlichkeit und Stärke, zwischen Intimität und Pose, zwischen spielerischer Leichtigkeit und dem Versuch, Härte zu zeigen. Nicht jeder Versuch überzeugt, doch gerade die Mischung aus Experimentierfreude und Offenheit macht den Reiz aus.

Am Ende bleibt der Eindruck einer Künstlerin, die mitten in einem Prozess steckt: Sie sucht, probiert, stolpert, findet wieder zurück und wächst dabei sichtbar. Nina Chuba überzeugt am meisten dann, wenn sie keine Maske trägt. Wenn sie ganz sie selbst ist, berührt sie nicht nur, sondern zeigt, dass sie zu den spannendsten Stimmen ihrer Generation gehört.

Ich bin gespannt auf ihr drittes Album – dann, wenn Nina noch erwachsener und selbstbewusster klingt. Ich erwarte ein großes Kunstwerk. Jeder Künstler beginnt seinen Weg irgendwo, macht Fehler, lernt daraus, entwickelt seine Botschaft. Ich freue mich darauf, in ein paar Jahren zu sehen, wie sich Nina von der verspielten Lilly zu einer starken, selbstbewussten Frau und Künstlerin entwickelt hat.

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