Wenn Popstars sich heutzutage über Chartplatzierungen und Streamingzahlen definieren, kann Olivia Dean mit ihrem neuen Album The Art of Loving fast schon frech sagen: „Danke, ich hab das im Griff.“ Bereits die Single Man I Need bewies, dass sie nicht nur stimmlich, sondern auch charttechnisch auf der Überholspur ist. Und ja, sie steht da nicht neben irgendwelchen Hintergrundfiguren – selbst eine fiktive K-Pop-Band musste Platz machen.
Dieses Album fühlt sich an, als hätte jemand die Sonnenschein-Popplatte aus den 70ern in ein Londoner Tonstudio transportiert, ihr noch ein paar Shoegaze-Gitarren, Neo-Soul-Vibes und eine Prise Yacht-Funk hinzugefügt – und dabei nicht ein Stück an Seele verloren. The Art of Loving klingt vertraut, ohne angestrengt retro zu wirken, und Olivia Dean singt so, wie man es sich wünscht: ehrlich, charmant, ungekünstelt. Keine seltsamen „Indie“-Stimmen, keine Winehouse-Klone – einfach Olivia. Punkt.
Was das Album besonders macht, ist die Liebe zum Detail. Dean liebt Tagebuchmomente: kleine, alltägliche Beobachtungen, die trotzdem universell nachvollziehbar sind. „Ich weiß nicht, wo die Schalter sind, oder wo du dein Besteck aufbewahrst“ – schon eine Zeile, die einen zum Schmunzeln bringt, und gleichzeitig klingt, als würde sie mitten in dein Herz sprechen.
Musikalisch ist The Art of Loving eine Wundertüte: Bossa Nova und MOR-Pop, Indie-Rock und Funk, Neo-Soul und seichte Yacht-Vibes – alles wirkt, als hätte jemand das Beste aus verschiedenen Welten zusammengebracht, ohne dass es je überladen oder gestelzt wirkt. Songs wie Nice to Each Other oder Baby Steps sind kleine Lehrstunden in Sachen Liebe, Selbstbewusstsein und Selbstliebe, eingehüllt in eingängige Melodien, die sich sofort im Kopf festsetzen. Und ja, man erwischt sich dabei, wie man vor dem Spiegel den Refrain mitpfeift – man will ja schließlich kein bisschen aus der Übung kommen.
Besonders charmant ist der Mix aus Ernst und Leichtigkeit. Olivia Dean kann über die kompliziertesten Liebesverstrickungen singen, über Selbstzweifel und Herzschmerz, und gleichzeitig springt man beim Hören von einem Schmunzeln in ein tiefes Seufzen, ohne dass es je aufgesetzt wirkt. So Easy (To Fall in Love) fängt das Gefühl der ersten Schmetterlinge ein, Something Inbetween reflektiert die Unsicherheiten, die man gar nicht aussprechen will, und Rein Me In zeigt dann wieder die freche Seite einer Sängerin, die weiß, wie man einen Song fliegen lässt.
Und während viele Künstler noch darüber nachdenken, wie sie sich im Pop-Dschungel positionieren sollen, klingt Dean, als hätte sie diesen Schritt längst hinter sich. The Art of Loving wirkt wie jemand, der seine Stimme gefunden hat – nicht nur stimmlich, sondern auch künstlerisch. Sie spielt mit Stilrichtungen, ohne je die Kontrolle zu verlieren, jongliert mit Genres, ohne sich zu verlieren, und singt über Liebe, ohne dass es je kitschig wird.
Fazit: The Art of Loving ist ein Album, das man hören möchte, immer wieder. Charmant, clever, mit einem Augenzwinkern, aber auch tiefgründig und emotional. Olivia Dean beweist hier, dass Popmusik weit mehr sein kann als eingängige Hooks: Es kann ehrlich, verspielt und klug zugleich sein. Wer dieses Album ignoriert, verpasst 2025 vermutlich eines der intelligentesten Pop-Statements der Saison.
