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ROME Neue Alben: „The Tower“ und „The Hierophant“ schließen Jubiläum ab

Am Ende der Feierlichkeiten zum zwanzigjährigen Bestehen schlägt ROME das nächste Kapitel auf. Die Band veröffentlicht am 19. Dezember 2025 gleich zwei neue, visionäre Werke: ROME Neue Alben „The Tower“ und „The Hierophant“. Diese Doppelveröffentlichung ist ein Zwillingswerk von eindrücklicher Geschlossenheit und hypnotischer Bestimmung. Es stellt eine künstlerische Offenbarung von bleibender Strahlkraft dar.

„The Tower“: Minimalismus als Bollwerk des Inneren

Das jüngste Werk „The Tower“ ist ein wegweisendes Opus. Es ist durchdrungen von einer gereiften Klangsprache. ROME setzt hier auf einen radikal minimalistischen Folk-Ansatz. Das Album reduziert sich auf seine Essenz. Es wirkt klar konturiert und von fast asketischer Disziplin. Dennoch durchweht es eine geheimnisvolle Fülle. Solche Fülle erwächst nur aus tiefer Innerlichkeit.

Der Turm ist keine bauliche Struktur, sondern eine Chiffre. Er ist eine Figur im geistigen Raum. Ein Symbol der Festigung, der Haltung und des Widerstands. Errichtet als Bollwerk gegen den Strom der Auflösung, steht „The Tower“ aufrecht. Er dient als äußerster Vorposten einer innerlich disziplinierten Existenz. Dieser Turm wäre, hätte er Gestalt, auf Fels gesetzt. Er stünde im Meer, nur durch einen schmalen Steg mit dem Festland verbunden. Doch seine eigentliche Lage ist jenseits der Geographie. Es ist der Ort, an dem der Mensch sich dem entzieht, was ihn zerstreut. Es ist kein Rückzugsort, sondern Beobachtungspunkt, Bastion und vielleicht sogar ein Ort der Entscheidung. Von hier aus reicht der Blick ins Weite. Er geht nicht in die Ferne, sondern in die Tiefe.

Jerome Reuter ist in dieser Konstellation kein bloßer Sänger, sondern ein Chronist. Seine Verse sind Form gewordene Geschichtsbetrachtung. Sie sind Ausdruck einer tragischen Klarheit und zeigen eine unbestechliche Durchdringung der Gegenwart. Sie fordern nicht Konsum, sondern Teilnahme und bitten nicht um Zerstreuung, sondern um Sammlung. Reuters Dichtung ruft die Hörenden in das Eigene. Sie ruft in das Unverfügbare. Berührung jenseits der Sprache – das ist eine lyrische Disziplin von seltener Intensität. In einer Zeit, die in der Oberfläche lebt und an der Oberfläche vergeht, erhebt sich „The Tower“ wie ein letzter Monolith. Es ist ein Werk des Inneren. Ein Werk, das nicht schreit, sondern trägt. Es glänzt nicht, sondern glimmt und schmeichelt nicht, sondern formt. Es ist ein Gegenzeichen: nicht gegen die Zeit, sondern durch sie hindurch. Und es richtet sich an jene, die im Lärm der Welt das Innere noch nicht verloren haben. Es spricht zu denen, die noch hören können, was die Zeit selbst nicht mehr zu sagen vermag.

ROME Neue Alben

„The Hierophant“: Die Reise zum Rand des Transzendenten

„The Hierophant“ bildet das rätselhafte Gegenstück zum introspektiven Rückzugswerk „The Tower“. Seine Reise beginnt in den Tagen der Sammlung (Days of Assembly) im geheimnisumwobenen Hafen (Secret Harbour). Sie führt am Ufer der Trauer entlang (On Sorrow’s Embankment) bis zu seiner erlösenden Entgrenzung im mythischen Norden (Apollo of Hyperborea). Es ist ein geistiges Reisetagebuch. Es wird getragen von der Suche nach Wort und Welt jenes zerbrechlichen Gesandten (My Frail Ambassador). Er ist Deuter der ältesten Gesetze und Lichtträger durch die Finsternis der Zeit.

„The Hierophant“ spricht nicht mehr aus dem Rückzug. Es spricht nicht mehr von den Mauern der inneren Festung, sondern vom Rand des Transzendenten. Anhand eines klangmagischen Netzes aus atmosphärischer Gitarrenarbeit schaut Reuter über die rauen Konturen des Diesseits hinaus. Es gibt keine Ernte in einer Welt, die sich vom Überweltlichen getrennt hat (The Harvest Is Not Here).

Die Lieder sind sowohl mystisch entrückt als auch berührend. Sie wirken halb enthüllt und halb verborgen, wie das Evangelium eines stillen Kults. Der musikalische Gestus bleibt dem radikal reduzierten Folk vergangener Werke verwandt, wenn auch in veränderter Intensität. Spärliche Perkussion und traumverlorene Streicher tragen den Hörer in einen akustischen Initiationsraum. Erinnerungen an längst versunkene Riten steigen auf. Mit ihnen kommt das Beben innerer Umwandlung. Reuter zeigt in Gitarrenspiel und Sprache eine besondere Dichte. Jedes Stück wirkt wie ein verschleiertes Gebet. Es ist ein klanglicher Codex, durchzogen von Zeichen, Formeln und stiller Kraft. Er fordert jene Aufmerksamkeit, die Wiederholung nicht scheut. Wer in diesen Zeiten noch nach innerer Form sucht, wird hier fündig. Nicht zur Unterhaltung, sondern zur Erinnerung. Nicht zur Flucht, sondern zur Wandlung. Diese ROME Neue Alben sind ein Muss.

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