Heute ist ein Festtag für alle, die wissen, dass der Kern von Slashs Gitarrenspiel nicht in den großen Stadien mit Guns N‘ Roses, sondern im rauen, ehrlichen Blues liegt. Ich halte die Black 3LP Gatefold-Ausgabe von Slash Live Blues „Live at the S.E.R.P.E.N.T. Festival“ in den Händen, und ich muss sagen: Dieses Album ist für mich ein Beweis dafür, dass einige der aufregendsten musikalischen Momente entstehen, wenn Künstler zu ihren Wurzeln zurückkehren und uns, die Zuhörer, mitnehmen.
Ich habe seine Karriere verfolgt, seit er mit Slash’s Snakepit das erste Mal zeigte, dass es abseits der Gunners ein eigenes musikalisches Feuer in ihm gibt. Damals schon spürte man diesen dreckigen, bluesigen Groove. Dieses Live-Album, aufgenommen am 17. Juli 2024 im Mission Ballroom in Colorado, fängt nun genau diesen Spirit ein. Es ist nicht nur ein Mitschnitt der Tour zu seinem gefeierten Blues-Album „Orgy Of The Damned“, sondern vielmehr ein Manifest seiner musikalischen DNA.
Rau, echt und ohne doppelten Boden
Was mich von der ersten Minute an in den Bann zieht – schon beim „Intro“ – ist die Rauheit. Slash selbst bezeichnete diesen Set als „raw, fly by the seat of your pants, live rock and roll thing“, und genau das hört man. Es ist keine klinisch perfekte Aufnahme; es ist live, laut und gefährlich, so wie Blues sein muss.
Der Opener „Parchman Farm Blues“ (ein Bukka White Cover) reißt mich sofort mit. Es ist, als würde man in eine verrauchte Bar hineingezogen. Dann „Killing Floor“ (Howlin‘ Wolf): Hier spürt man förmlich, wie Slash und seine fantastische Band, die Slash’s Blues Ball (mit Teddy „ZigZag“ Andreadis an Keyboards und Mundharmonika – ein alter Weggefährte!), in einen kollektiven Jam verfallen.
Ich war immer der Meinung, dass Blues das beste Vehikel für Slashs Seele ist. Auf der A-Seite von LP 1, bei „Born Under a Bad Sign“ und vor allem dem Fleetwood Mac-Klassiker „Oh Well“, spüre ich das Feuer. Er interpretiert diesen Peter Green-Klassiker nicht nur, er nimmt ihn auseinander und setzt ihn in einer Weise neu zusammen, die sowohl den Original-Wurzeln treu bleibt als auch seine unverwechselbare, sägende Gitarrenstimme in den Vordergrund stellt. Das ist für mich ein absoluter Höhepunkt des ersten Teils!
Eine Landkarte des Blues-Erbes
Die Setlist ist eine Landkarte der Blues- und Rockgeschichte. Mich freut besonders, dass er sich durch so viele Genres und Epochen spielt. Der Groove bei „Big Legged Woman“ (Freddie King) ist unwiderstehlich. Und dann kommt das epische „Papa Was a Rollin‘ Stone“ (The Undisputed Truth). Diese zehnminütige Interpretation ist ein wahres musikalisches Statement, das sich von seinen gewohnten Rock-Soli abhebt. Es zeigt, wie tief er in den Song eintaucht, mit langgezogenen, gefühlvollen Soli, die nicht nur auf Technik, sondern vor allem auf Emotion abzielen.
Ich spüre seine Liebe zu den Künstlern, die seinen Weg geebnet haben – Robert Johnson, T-Bone Walker, Jimi Hendrix. Songs wie „Stormy Monday“ und „The Pusher“ (Hoyt Axton) offenbaren seine Fähigkeit, Atmosphäre zu schaffen. Diese Tracks sind länger, ziehen den Hörer in eine rauchige, fast meditative Stimmung. Hier wird klar, dass Slash nicht nur der Virtuose des großen Riffs ist. Er ist ein Storyteller mit sechs Saiten.
Überraschungen und ein gewaltiges Finale
Ein echtes Juwel ist für mich „Metal Chestnut“. Das ist Slashs eigenes instrumentales Original auf diesem Album, und es passt perfekt in die Reihe der Blues-Standards. Es ist befreiend zu hören, dass er hier nicht versucht, seinen Guns-Sound zu reproduzieren, sondern einen eigenen, bluesigen Pfad geht.
Das große Finale ist ein Tribut an die Götter des Rock-Blues. „Crossroads“ (Robert Johnson) ist der obligatorische Klassiker, aber die 11-minütige, donnernde Version von Jimi Hendrix‘ „Stone Free“ ist ein emotionaler Höhepunkt. Man hört förmlich, wie er auf der Bühne losgelassen wird, um zu jammen, bis die Finger bluten. Das ist der Slash, den ich immer am meisten bewundert habe: derjenige, der in der Lage ist, sich musikalisch zu verlieren.
Die Zugabe mit Bob Dylans „It Takes a Lot to Laugh, It Takes a Train to Cry“ und dem abschließenden, explosiven „Shake Your Money Maker“ (Elmore James) lässt mich die Platte mit einem breiten Grinsen auflegen. Es ist ein befreiendes, ausgelassenes Finale.
Persönliches Fazit
Liebe Leser, wenn du, genau wie ich, diesen Slash Live Blues – den Slash der tiefen, dreckigen Töne und der ungezügelten Jams – schätzt, dann ist diese 3LP ein absolutes Muss. Es ist nicht nur ein Album, es ist ein Erlebnis. Es zeigt uns einen Slash, der sich musikalisch freigeschwommen hat und in seiner größten Leidenschaft schwelgt. Für mich persönlich ist diese Aufnahme ein perfektes Gegenstück zur Hektik des Appetite-Sounds. Hier ist nur die Seele, der Rauch und die Gitarre. Ein wahrhaft zeitloses Dokument, das seine Rolle als einer der wichtigsten modernen Blues-Rock-Gitarristen zementiert.











