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The Streets im E-Werk Köln – Eine Nacht zwischen Gänsehaut, Grinsen und Grime

Wenn ich mir vorstelle, wo Mike Skinner mit The Streets wirklich hingehört, dann denke ich nicht an ein durchgestyltes Festival oder ein intellektuelles Kulturhaus. Ich denke an klebrige Clubböden, an verschwitzte T-Shirts und den süßlich-beißenden Mix aus Bier, Alkopop und Dönerfett, der durch die Lüftung zieht. Und doch: Gestern Abend im E-Werk Köln war dieser Widerspruch Teil der Magie – denn irgendwie passte alles. Und das lag vor allem an Mike Skinner selbst.

Ich war mir nicht sicher, was mich erwartet. Ein nostalgischer Throwback-Abend? Ein Clubkonzert mit Midlife-Crisis-Vibes? Oder ein egozentrischer Rap-Veteran, der auf seine besten Jahre zurückblickt? Es wurde… keiner dieser Abende – und gleichzeitig alles davon.

Skinner betrat die Bühne wie ein alter Freund, der mal eben ’ne Geschichte erzählen will. Kein Glamour, kein Getue. Stattdessen: ein Mann, der zwischen zwei Boxen steht, die Arme in die Luft reckt und uns freundlich, fast väterlich anweist, wann wir stehen, wann wir sitzen, wann wir gefälligst Rücksicht nehmen sollen auf die Leute hinter uns. Irgendwo zwischen Stand-up-Comedy, Spoken Word, Konzert und Gruppentherapie. Und wir machen mit. Alle.

Denn dieser Typ hat eine seltsame Superkraft: Er ist einfach verdammt echt. Er redet über seine Kids und wie stolz er auf sie ist. Lässt zwischendurch einen Typen im Burberry-Shirt auf die Bühne, nur weil es irgendwie gerade passt. Macht sich über sich selbst lustig und fordert mehrfach eine Standing Ovation – die er natürlich bekommt. Nicht, weil er’s verlangt, sondern weil’s genau richtig ist.

Musikalisch? Natürlich legendär. Turn the Page, Has It Come to This?, It’s Too Late, Let’s Push Things Forward – das Debüt Original Pirate Material kommt fast komplett, und jeder Track sitzt wie ein Faustschlag mit einem Augenzwinkern. Ich hab selten so viele Menschen so rhythmisch mit den Schultern wippen sehen, während sie versuchen, nicht zu sehr mitzusingen. Als Don’t Mug Yourself erklingt, explodiert der Saal endgültig. Mike springt in die Menge, lässt sich feiern, kontrolliert gleichzeitig, dass niemandem die Sicht genommen wird. Der Mann ist Bühnenmeister und Sozialarbeiter zugleich.

Und dann die langsamen Songs. Blinded by the Lights ist eine verdammte Offenbarung – so minimal, so hypnotisch, fast schon spirituell. Und als Dry Your Eyes kommt, dieser einfache, zerbrechliche Song über das leise Scheitern einer Liebe, singen plötzlich alle mit – leise, vorsichtig, fast ehrfürchtig. Es ist einer dieser seltenen Konzertmomente, in denen man wirklich etwas fühlt. So richtig.

Zum Schluss dann Take Me as I Am – ein Song von 2020, Drum’n’Bass-lastig, tanzbar, kraftvoll. Danach verneigt sich Skinner mehrfach, wirkt erschöpft und gleichzeitig beseelt. Und als er endlich von seinem Boxenpodest steigt, hat er sie bekommen – diese verdammte Standing Ovation. Völlig verdient.

Wir strömen hinaus in die Kölner Nacht. Die Gespräche drehen sich um die Texte, die Show, die verdammte Echtheit dieses Typen. Und ja – irgendwo in der Ferne riecht es nach Döner. Besser hätte es nicht enden können.

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