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IMANY: Women Deserve Rage – Wenn die Wut zur stillen Therapie wird: Das Manifest einer Seele

Es gibt Alben, die hört man. Und es gibt Alben, die erlebt man. Imanys neues Werk, „Women Deserve Rage“, das am 24. Oktober 2025 erscheint, fällt definitiv in die zweite Kategorie. Es ist eine Erfahrung, die unter die Haut geht, weil sie so schmerzhaft ehrlich und gleichzeitig so unglaublich befreiend ist. Die französische Soul-Ikone, deren Stimme wir alle seit „Don’t Be So Shy“ kennen und lieben, hat hier nicht einfach ein Album aufgenommen – sie hat ihre Seele ausgegossen und daraus ein Manifest der weiblichen Heilung geformt.

Imany hat ihre eigene Lebenswut, die sich über Jahre angestaut hat, nicht etwa in einen lauten Grunge-Schrei verwandelt. Sie hat sie in eine ruhige, tiefe, meditative Kraft umgewandelt. Sie sagt selbst, Wut sei kein Feind, sondern ein Werkzeug für Freiheit. Und genau das hört man in jeder Note dieses Albums.

Der intime Akt der Befreiung

Was dieses Album so persönlich macht, ist seine Struktur. Die drei Interludes – diese echten Sprachnachrichten von Freundinnen – brechen die musikalische vierte Wand. Es fühlt sich an, als würden wir Imanys Tagebuch in die Hand nehmen, als wären wir Zeugen ihrer Sisterhood-Verbundenheit und ihrer Therapie. Man spürt, dass diese Heilungsreise nicht im Vakuum stattfand, sondern getragen von Liebe und Unterstützung.

Der musikalische Stil, der Soul, Folk und Pop mit minimalistischen, afrikanisch inspirierten Elementen verbindet, ist der perfekte Träger für diese Intimität. Imanys tiefe, warme Altstimme ist hier noch einmal geerdeter, noch rauer. Sie singt nicht für das Publikum, sie singt für sich selbst – und wir dürfen zuhören.

Wenn Schmerz zur Klarheit wird: Die Song-Reise

Die Tracklist liest sich wie ein emotionaler Prozess, den jede Frau, die sich jemals befreien musste, nachempfinden kann.

Es beginnt mit dem schmerzhaften, aber notwendigen Schnitt in „My Own Story“. Imany verabschiedet sich nicht nur von einer Liebe, sondern von einer Version ihrer selbst. Es ist das unvermeidliche Lebe-Wohl an das frühere Ich.

Die darauf folgenden Songs sind ein Befreiungsschlag gegen die Stigmatisierung. „So Now You Call Me Crazy“ und „MAD“ sind so wichtig. Sie entlarven die patriarchale Taktik, Frauen als „verrückt“ abzustempeln, wenn sie ihre Wahrheit aussprechen. Imany macht das Gegenteil: Sie sagt uns, dass der Moment, in dem wir als „verrückt“ bezeichnet werden, der Moment der größten geistigen Klarheit ist. Die Verwirrung aus „MAD“ transformiert sich in einem kathartischen Riff in pure, zielgerichtete Wut.

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Das Karussell und die ultimative Rache

Mit „Ruling Over“ und „Merry-Go-Round“ tauchen wir in die dunkleren Muster ein. Ich höre in „Ruling Over“ die hypnotische, düstere Schwere, die die Machtverhältnisse beschreibt – aber Imany lässt uns spüren, wie die Hoffnung auf Freiheit in diesen tiefen Soul-Melodien mitschwingt. „Merry-Go-Round“ ist die traurige Erkenntnis, dass wir uns oft in denselben toxischen Mustern drehen.

Der emotionale Wendepunkt kommt mit „Why Don’t You“. Es ist der Moment, in dem die Mutterliebe zur Rüstung wird. Die tiefe Verbundenheit mit den Kindern ist die Kraft, die ihr die Gewissheit gibt: Verzweiflung ist nicht endgültig.

Und dann kommt der ultimative, befreiende Schlag: „Your Funeral“. Das ist keine traurige Abrechnung, sondern eine hymnische Feier der wiedergewonnenen Freiheit und Macht. Der Text ist so kühn – „I’ll look fly at your funeral“ – es ist die Freude, die aus der Akzeptanz der Wut entsteht.

Women Deserve Rage Kritik

Zurück zur Mitte: Einheit und Identität

Die letzte Phase des Albums ist die spirituelle Auflösung. Das Duett „Just for a Little While“ mit La Chica wirkt wie ein weiblicher Zauber, der die Flüche der Vergangenheit bricht. „Home“ ist die spirituelle Einkehr, die warme Gewissheit, dass das Leiden zum Erwachen führen kann.

Das Album gipfelt in einem Manifest der Selbstakzeptanz. „I Am Who I Am“ ist ein herrlich stolzer Reggae-Dub-Anthem, der sagt: „Das bin ich, nimm es oder lass es.“ Und der mutige Song „When It Comes“ tanzt auf einem fröhlichen Beat durch die dunkle Wahrheit der Depression, die viele Frauen zyklisch erleben. Es ist ein so ehrlicher Appell, um Hilfe zu bitten.

Das Ende ist die ultimative Umarmung: „All Is One“. Hier verwandelt sich die individuelle Wunde in eine universelle. Imanys Schmerz wird zu unserem Schmerz, und in dieser Einheit liegt die Ganzheit und die Hoffnung auf eine größere Version unserer selbst.

Fazit:

„Women Deserve Rage“ ist ein Album, das man sich selbst schenken sollte. Es ist therapeutisch, notwendig und musikalisch tief. Imany hat ein zeitloses Manifest geschaffen, das uns lehrt, dass die Wut die ehrlichste Form der Liebe ist, die wir uns selbst schenken können. Das Album ist der Beweis, dass man aus der tiefsten Dunkelheit die stärkste Musik kreieren kann.

Ein unverzichtbares Hörerlebnis im Jahr 2025.

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