Es war 20:02 Uhr am 21. Juni 2025, als in der Mitsubishi Electric Halle in Düsseldorf die ersten Worte über die Lautsprecher erklangen. Aber keine Begrüßung, keine epische Einleitung, keine aufgesetzte Rock’n’Roll-Pose. Stattdessen: eine sarkastische Stimme, die mit einem Augenzwinkern sagte, man dürfe natürlich filmen, „aber nur, wenn das Handy nicht vor dem Gesicht klebt“, und man möge sich bitte von der plötzlichen Lautstärke überraschen lassen.
Ein smarter Einstieg – humorvoll, charmant und herrlich menschlich. Es war der erste von vielen Momenten an diesem Abend, in dem klar wurde: Hier wird keine Show abgezogen – hier entsteht Nähe.
Die vier Musiker von The Rose betraten die Bühne und eröffneten den Abend mit Ticket to the Sky – einem Song, der sofort wie ein filmischer Prolog wirkte. Es war nicht laut, nicht dramatisch, sondern warm, fast poetisch. Eine Einladung zum Mitfühlen. Und schon beim zweiten Song Childhood war es da – dieses Gefühl, nicht in einer Konzerthalle zu stehen, sondern… im Wohnzimmer von vier Freunden, die Geschichten erzählen.
Denn genau das war das Bühnenbild: kein klassisches Rock-Setup mit grellem Licht und meterhohen Türmen, sondern eine Szene wie aus einem Loft in Seoul. Da standen Sessel mit Leselampen. Ein Bett, in dem sich Gitarrist Jaehyeong später entspannt hinlegte, während ein anderer Song lief. Ein Teppich, verstreute Polster, Pflanzen, ein Hauch von Vintage – und mittendrin vier Musiker, die zwischen Songs plauderten, sich gegenseitig aufziehen, Witze machen, still innehalten.
Als sie Definition of Ugly Is spielten, wurde mir endgültig klar: Das ist hier kein Konzert, wie ich es kannte. Keine Pose, keine Distanz. Stattdessen: rohe Ehrlichkeit. Die Kamera auf der Bühne filmte die Jungs oft ganz nah – ihre Gesichter, ihre Blicke – und diese Bilder wurden auf die große Leinwand projiziert. So wurde aus einem 8.000-Personen-Raum plötzlich ein intimer Kreis.
She’s in the Rain war einer der Songs, den ich vorher kannte. Und doch hörte ich ihn an diesem Abend zum ersten Mal richtig. Es war nicht nur traurig. Es war tröstlich. Es war, als würde jemand sagen: „Ich weiß, wie sich das anfühlt. Ich bin da.“ Die Halle war still. Die Leute hörten wirklich zu. Und das ist selten bei Konzerten dieses Formats.
Mit Tomorrow und Nebula zog wieder mehr Energie ein. Lifeline wurde zu einem kollektiven Durchatmen. You’re Beautiful war dann einer dieser Momente, bei dem man kurz blinzeln musste, weil man plötzlich eine Träne spürte, die man gar nicht bemerkt hatte.
Shift, Slowly, Nauseous, Yes – das Set hatte eine Tiefe, die selten ist. Jeder Song fühlte sich an wie eine neue Etappe auf einer Reise ins Innere. Und dann kam Back to Me. Ich stand plötzlich, sang mit, sprang – obwohl ich den Song vorher nie laut mitgesungen hatte. Die Musik hatte mich längst gepackt.
Dann kam der Moment, an dem Konfetti durch die Luft flog. Und obwohl das bei vielen Konzerten ein billiger Effekt ist, war es hier anders. Es fühlte sich wie ein Höhepunkt an – nicht inszeniert, sondern verdient. Als würde jemand sagen: „Du hast durchgehalten. Hier ist dein Moment.“
Als sie Alive spielten, war klar: Die Halle lebte. Und RED war ein musikalischer Farbrausch, ein akustischer Sturm, der dennoch nie die Kontrolle verlor.
Und dann kam Sorry. Der Song, mit dem für viele alles begann. Das Publikum sang jede Zeile – und die Band ließ es zu. Es war kein Auftritt für Fans – es war ein Zusammenklang mit Menschen, die man kennt.
Eclipse, Beauty and the Beast, Nevermind – es wurde dunkler, nachdenklicher. Und dann kam der kleine technische Fehler: ein Tonausfall. Aber statt peinlicher Pause: Lachen. Entspanntes Warten. Woosung scherzte, das Publikum winkte, lächelte – es fühlte sich an wie ein Treffen unter Freunden, bei dem halt mal kurz die Musikbox ausfällt. Kein Problem.
Mit Wonder, Sour, Cosmo und schließlich O ging dieser Abend zu Ende – musikalisch, aber nicht emotional.
Denn was bleibt, ist dieses Gefühl:
The Rose sind keine Rockstars. Sie sind nicht dort oben – sie sind mitten unter uns.
Sie sehen dich an, sie hören dir zu, sie erzählen dir ihre Geschichten – nicht mit Pathos, sondern mit Herz.
Ich war nicht als Hardcore-Fan gekommen. Ich kannte drei Songs. Ich wusste nicht, was mich erwartet. Und doch ging ich am Ende mit dem Gefühl nach Hause, Teil von etwas gewesen zu sein, das mehr war als Musik. Es war ein Raum voller Vertrauen, voller Resonanz, voller Licht und Schatten.
Und vielleicht ist das der größte Verdienst dieser Band: Sie spielen keine Show – sie öffnen ein Fenster in ihre Welt, und du darfst einfach rein. Du musst nichts wissen, nichts beweisen, nichts performen. Du darfst einfach da sein.
Und wenn dann am Ende das Licht langsam wieder angeht und man sich umdreht, um nach Hause zu gehen, schaut man nicht nur auf einen Konzertabend zurück. Man nimmt etwas mit. Etwas sehr Persönliches.
Zum Schluss muss ich noch ein großes Lob aussprechen – denn nicht nur die Musik war ein Geschenk:
Ein riesengroßes Dankeschön an Prime Entertainment für den absolut reibungslosen Einlass, die entspannte Atmosphäre vor Ort und den ruhigen, hilfsbereiten Ablauf nach dem Konzert. In einer vollbesetzten Halle dieser Größenordnung keine Selbstverständlichkeit!
Und ein ebenso aufrichtiges Danke an Live Nation, dass sie immer wieder Künstler wie The Rose nach Deutschland holen – und damit solche Abende möglich machen, die mehr hinterlassen als ein paar Fotos auf dem Handy.
Ich bin kein Mensch, der schnell schwärmt. Aber das hier… war besonders.
Und ich weiß: Es war nicht das letzte Mal, dass ich mir von The Rose eine Geschichte erzählen lasse.
Naomi Stevens