Startseite / Reingehört / Björk Cornucopia Live: Kann sich das digitale Theater ohne Visuals behaupten?

Björk Cornucopia Live: Kann sich das digitale Theater ohne Visuals behaupten?

Björk Cornucopia Live review

Ach, Björk. Als Fan ist man ja einiges gewohnt, aber dieses Album fühlt sich anders an. Mein ganz persönlicher Björk-Moment, das war 1993. Ich war damals sofort hin und weg von dieser erfrischenden, jungen Isländerin., und glaube, das ging vielen so. Ich erinnere mich noch gut, als sie ihre Solokarriere startete. Die Single „Army of Me“ lief auf meinem Plattenspieler rauf und runter. Ernsthaft, ich musste mir ein zweites Exemplar kaufen, weil die erste Platte fast durchgespielt war! Und dann kam „It’s Oh So Quiet“ – damit schaffte sie es auch in den Mainstream.

Aber die Alben, die für mich wirklich essenziell sind und die immer wieder ihren Weg auf meinen Plattenspieler finden? Das sind „Vespertine“ – an dem ich immer noch so sehr hänge wie am ersten Tag – und „Volta“. Mit „Volta“ habe ich eine ganz spezielle Verbindung. Es hat mir durch schwere Zeiten geholfen. Deswegen ist es für mich, ganz subjektiv, das beste Album der 2000er.

Das Live-Erlebnis in Krakau – Mehr als ein Konzert

Dann kam die „Cornucopia“-Tour 2023. Ich hatte das unglaubliche Glück, dieses Spektakel in Krakau live zu erleben. Und das war eben kein Konzert mehr, das war eine einzige, riesige Inszenierung. Visuell war es einfach nur überwältigend. Allein die Kostüme, kreiert von Genies wie Olivier Rousteing (der ja auch Stars wie Beyoncé ausstattet) und Iris van Herpen (Künstlerin hinter Lady Gagas Kreationen) – das war Mode und Kunst auf höchstem Niveau. Die Presse nannte es ein digitales Theater, ein Sci-Fi-Pop-Konzert. Für mich war es ein absolutes Highlight der gesamten Livemusik-Darbietung.

Aber ehrlich gesagt, war meine größte Frage danach immer: Konnte sich dieses überwältigende Erlebnis auch ohne all die Visuals, die Projektionen und die verrückten Kostüme behaupten? Deswegen habe ich der Veröffentlichung der Vinyl-Ausgabe von Björk Cornucopia Live entgegengefiebert. Endlich sollte sich zeigen, ob der Klang alleine die Magie transportieren kann.

Ein intimes Ritual auf drei LPs

Was wir jetzt in den Händen halten, sind drei Schallplatten, die das gesamte Konzert umfassen. Das Cover zeigt zwar visuelle Highlights, aber für mich stand die Musik im Vordergrund. Und was soll ich sagen? Björk Cornucopia Live ist nicht einfach ein Live-Mitschnitt, es ist ein Erlebnis. Es gibt Alben, die man hört, und solche, in die man eintaucht. Dieses gehört definitiv zur zweiten Sorte.

Der Titel „Cornucopia“ – das Füllhorn – trifft es perfekt. Hier herrscht ein Überfluss an Ideen. Es fühlt sich an wie eine Expedition, ein Klangtheater, das zwischen Natur und Technologie pendelt. Die Flöten singen wie Vögel, die Harfen rauschen wie Wind. Nur Björk kann ein solch einzigartiges akustisches Biotop erschaffen.

Das Album deckt ihr gesamtes Schaffen ab: von „Isobel“ über „Pagan Poetry“ bis hin zu den neuen „Fossora“-Stücken. Aber nichts wird einfach nur abgeliefert. Jeder Song wird neu gedacht, neu gefühlt. Man spürt die 18-köpfige Live-Band, den Hamrahlíð-Chor, die Harfenistin Katie Buckley – sie alle hauchen den Stücken eine organische Lebendigkeit ein. Das Atmen zwischen den Songs ist fast intimer als jeder Applaus.

Die Stimme als Kompass

Die Stimme von Björk ist der Anker in diesem ganzen klanglichen Kosmos. Sie besitzt immer noch diese schneidende Klarheit und emotionale Tiefe. Björk ist nicht einfach nur eine Sängerin, sie ist eine Klangarchitektin. Sie ruft nach einer neuen Balance zwischen Mensch und Technik, eine Botschaft, die in unserer heutigen Zeit so wichtig ist.

Dieses Album beweist, dass Perfektion nicht steril sein muss. Es ist Björk Cornucopia Live in Reinform: kompromisslos, mutig und wunderschön. Ja, ihre Kunst verlangt Hingabe. Aber wer sich darauf einlässt, wird mit einem tiefen ästhetischen, emotionalen und intellektuellen Erlebnis belohnt.

Fazit: Das Konzert in Krakau war ein visueller Rausch. Aber die Vinyl beweist, dass die Musik von Björk so stark ist, dass sie keine Bühnenschau braucht. Dieses Live-Album ist ein Manifest, ein lebendiger Beweis dafür, dass Musik immer noch grenzenlos sein kann. Es ist eine absolute Offenbarung.

Album bestellen

Weitere Platten Reviews

Markiert: